Rye

Sensibles Thema und Gelaber incoming.

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Die Diskussion, die gestern auf meinem Profil ausbrach, hat einen ganz bösen Trigger enthalten. Ich hab über etwas geredet, was mir allein wichtig war und von dem die Gefahr ausging, dass andere darüber negativ urteilen (also über meine Entscheidung, darüber in dem Umfang/auf diese Art zu reden) und holy... Befürchtung hat sich bewahrheitet, aber das war super.

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Es war ein Trigger vor dem Herrn, aber eben genau sowas stößt Fortschritte zum richtigen Zeitpunkt auch an. (Falls sich noch jemand wundert, warum ich mich vehement gegen "Trigger sind böse" stelle, that's one reason)
Ich muss mal ausholen: U know, ich hab nach wie vor ein mächtiges Problem damit, abgelehnt zu werden. Nicht, weil ich als Person das nicht ertragen würde (darüber bin ich zum Glück weg), sondern weil ich es unbewusst mit psychischem Míssbrauch assoziiere, der mit meinem angeblichen "Falsch-Sein" einherging. Wenn ich jetzt beispielsweise in einem Raum mit 100 Leuten, die mehr oder weniger eine Gemeinsamkeit haben, ohne diese dastehe, dann gehts mir nett ausgedrückt absolut nicht gut. Bis heute bereite ich mich auf soziale Anlässe dahingehend schon unbewusst extrem gut vor, immer mit der Prämisse "Anpassung, bloß nicht auffallen" ganz oben. Das geht so weit, dass ich mich bei neuen Begegnungen als "sozial normal" schauspielere, weil es unerträglich wäre, durch meine Probleme mit fremden Menschen oder Gruppen als "unnormal" aufzufallen.
Genau dasselbe, wenn ich über ein Thema rede: Ich hab viel trainiert, also sind sehr persönliche Themen oder rein sachliche Themen heute relativ ok. Das gestern war genau dazwischen und deswegen schwierig. Ich war in meinem Verhalten irgendwie...unnormal, noch dazu in einem Moment, in dem mich das treffen konnte.

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Der Fortschritt war, dass ich gegen den Flucht- und Anpassungsimpuls angekämpft habe. Das ist zwar relativ alltäglich, aber der Trigger war für mich wirklich übel, auch wenn er harmlos aussah. Trigger dieser Stärke führen bei mir im Impuls zu einem strikten Regulierungsverhalten, teilweise einhergehend mit sozialer Isolation und Abbruch jeglicher Initiative, die damit einherging. Noch dazu war der Anon ziemlich rude mit seinem nachgeschobenen "Meine Güte", und ja, ich wurde davon verletzt.
Und...ich hab nichts davon gemacht. Ich hab festgehalten an "Okay, du findest es doof? Ich nicht" und OOOOF, in dem speziellen Fall hat das riesen Überwindung gekostet. Keine Rechtfertigungen, kein Löschen, keine Aggressionen, kaum Schuldgefühle, keine eilige Anpassung meines Verhaltens an die potenzielle Erwartung.
Und während ich meinen inneren Krieg ausgefochten habe, haben mich auf einmal zwei Leute angefeuert. Positive Verknüpfung af, haha. Es war so eine "kleine Sache", aber wieder ein wichtiger Baustein, um abusive Erfahrungen aktiv zu überschreiben und die wirkliche Welt außerhalb der Gaslighter-Realität einsickern zu lassen.

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Irgendwie schon und irgendwie doch wieder nicht.

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Was ich daran nicht mag, ist der Zeitaufwand, um etwas Neues zu finden. Rezensionen und Kritiken versauern mir Bücher zu 99%, egal ob positiv oder negativ, also les ich lieber gar keine. Früher hab ich vor einem neuen Buchkauf lange im Buchladen zugebracht und verschiedene Bücher angelesen, weil ich da recht anspruchsvoll bin - besonders Belletristik muss mich vom Schreibstil fesseln, sonst stirbt mein Interesse beim Lesen sehr schnell. Und auch nicht jedes Sachbuch ist gut, sobald es gut aussieht.
Diese Methode geht heute nicht mehr, es kostet zu viel Energie. Also bleibt der "Blick ins Buch" auf Amazon oder eine Vorschau auf Google Books, aber das Überangebot ist eben auch so 'ne Sache. Da ist meistens alles nach Algorithmen sortiert, aber ich liebe eben die Diversität. Was mich an einem Buch fasziniert hat, kann der Algorithmus eh nicht erfassen, das Genre oder Thema ist es nämlich so gut wie nie.
Abseits davon können Bücher mich regelrecht einsaugen, sodass ich alles vernachlässige, weil ich nicht mit Lesen aufhören kann. Es können tagelang intensive Tagträume verursacht werden, die auch Zeit kosten. Das ist manchmal nicht schön. Dazu hat mir die Zeit, in der ich viel Sach- und Fachliteratur lesen musste, irgendwie den Zugang zu Belletristik erschwert.

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Auf der anderen Seite liebe ich es. Ich hab sehr früh lesen gelernt und es war DIE Befreiung für mich. Selbstfindung, Beschäftigung, vor allem aber eine Möglichkeit, mit Dingen klar zu kommen, in denen ich anders war. Ganz banal: Meine Tendenz zu wenig Schlaf hat täglich zu mehrstündiger, massiver Langeweile geführt, und Bücher waren die Rettung.
So sehr der Rausch, in den ich dann manchmal gerate, auch von allem anderen ablenkt, er ist intensiv, und das kann sich verdammt gut anfühlen. Bücher gestalten meine Tagträume nachhaltig, also einen wichtigen Teil meines Lebens.
Ich habe es auch irgendwie schon immer genossen, mich der bildlichen Vorstellung (etwas, was ich liebe) durch einen Text (auch etwas, was ich liebe) hinzugeben.
Dazu das Wissen. Bücher lehren an sich schon eine Sprache und ein Sprachgefühl, wie es sonst kaum etwas vermag. Ihr Inhalt kann dazu noch viel mehr, selbst in einem Roman. Nie hat mich die französische Revolution mehr interessiert als nach den eindrücklichen Schilderungen in "Joséphine", trotz oder gerade wegen der nicht hundertprozentigen historischen Korrektheit - manche Bücher machen neugierig auf mehr, auf "dahinter", und andere liefern genau das dann.

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Hahhh. Ich weiß es nicht. Ich glaube, ich liebe das Lesen, aber nicht immer das Drumherum oder das, was es mit sich bringt.
Ich hab mein ganzes Leben mit Lesen zugebracht, ob nun die Packung von der Kondensmilch oder Bücher oder wissenschaftliche Artikel, ein "Ich" ohne Lesen gibt es gar nicht. Also ja, ich lese vermutlich gerne Bücher.

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Ich finde es abgesehen von der suggestiven Fragestellung immer ein bisschen schwierig, wenn Kartoffeln wie ich das zu beurteilen versuchen. Und ich kann mir so eine Frage auch nur von einer Kartoffel vorstellen.
I mean, das ist so, als ob sich eine Altherrenrunde darüber unterhalten würde, ob einem heute zu schnell Séxismus oder séxuelle Belästigung vorgeworfen werden würde - klar müssen die Leute speziell in dieser Runde nicht zwingend irgendwann séxistisch oder belästigend gewesen sein, aber es ist schon ein bisschen höhnisch und es geht ja eben um die Machtposition dabei, die genau diese Gruppe bei den beiden Themen innehat.
So isses in meinen Augen auch bei Rássismus. Ich gehöre nun mal der Ethnie an, die in nahezu allen Fällen der Unterdrücker war und die als Mächtige die Geschichte geschrieben hat, und hier in Deutschland bin ich Minderheiten gegenüber nun mal in einer Machtposition, ja, leider automatisch durch meine Herkunft (wenn man das scheíße findet, kann man von strukturellem Rássimsus Betroffene vielleicht entfernt verstehen). Die Betroffenen sind die, die Stimme erheben und ich hab auch noch den Luxus, mir aussuchen zu können, ob ich da zuhören will. Käme mir ein bisschen hypokritisch vor, mich über den Inhalt jener Aussagen dann generell zu beschweren.

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Eine Sache, bei der ich mir ein Urteil tendenziell erlauben und ganz langsam zutrauen würde, ist eine gewisse Übereifrigkeit im Stellvertretertum. Ich finds grundsätzlich nicht schlecht, gerade weil Privileg und Macht genutzt werden sollten, um Minderheiten zu unterstützen
Aber hatte gerade selber den Fall vor der Nase, dass laut "cultural appropriation" gerufen wurde, wozu ich nicht eine Begründung las; sondern viele Beschwerden von tatsächlich Betroffenen der Kulturen bzw. Religion, die angeblich für Ästhetik benutzt wurden. Sie schrieben, dass es keine problematischen Inhalte gäbe und es Weiße wären, die diese Ausrufe tätigen würden. Ich kann es nicht prüfen, aber es klang überzeugend. Sowas finde ich schon problematisch und auch existierend. Dass wir uns alle einigeln und jeder nur noch für sich seine uralten Traditionen bis zum Exodus weiterführt, kann ja auch nicht das Ziel sein.

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Achtung, sensibles Thema, bei dem ich über sensible Erfahrungen rede.

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Grundsätzlich ist so ein Shít nicht gut. Diese Backpfeifen werden in Filmen und anderen Medien sehr oft verharmlost und als Teil normaler Beziehungen oder als Reaktion auf Verletzungen gezeigt, aber das stimmt nicht. Man kann und sollte alle Probleme anders lösen. Dazu ist das überhaupt nicht harmlos, man kann das Ohr ernsthaft verletzen.

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Ich glaube, ich hab meinem ersten Freund mal eine leichte Ohrfeige verpasst, also irgendwann mit 14-15. Habe nur verschwommene Erinnerungen an manches aus der Zeit, wenn es so war, dann bereue ich es sehr. Ich war vermutlich wütend, wie so oft, da er mich durchgängig belogen hat und ich einiges zwar wusste, mich aber nicht lösen konnte/durfte. Aber egal wie toxisch die Bindung war, es war falsch, wenn es passiert ist.

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Einen meiner Peiniger, allerdings eine der "Waffen", hab ich zum Ende meiner Zeit unter ihnen geohrfeigt, daraufhin hatte ich die einzigen zwei Stunden in all den Jahren so etwas wie Ruhe. Das Fass war einfach übergelaufen, von dem, was man ertragen kann; und mir war egal, wie es aufhört, solange es aufhört.
Unter der Assoziation "letzte Chance zum wehren = körperlich" hab ich dann sehr lange gelitten und ewig gebraucht, bis ich wieder ein normales Verhältnis dazu bekommen habe, ich hab z.B. meine Freunde eine Zeit lang (so sanft wie mir möglich) in den Bauch geboxt, wenn ich emotional überfordert war. Alles, was daraus resultierte, war nicht schön, für mich und für andere.

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Uff. Vielen Dank.

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Ich muss ganz ehrlich gestehen: Das schwierigste an der Sache hier für mich war/ist, dass es womöglich "unnormal" wirken könnte, zu reagieren, wie ich eben reagiert habe. Der "Meine Güte"-Mensch von eben hat mich (unabsichtlich) total angetriggert, weil ich auf keinen Fall so gesehen werden will, wie er mich sieht.
Aber so sehen Leute einen nun mal immer wieder und die wahre Herausforderung für mich ist, zu einer vielleicht falschen, vielleicht übertriebenen, vielleicht unangemessenen oder einfach kritisierten Entscheidung zu stehen, OBWOHL sie möglicherweise genau das ist, falsch, unangemessen, aber eben einfach meine Entscheidung (zumal der Hände-Mensch mich belästigt hat, es gibt kein how-to-react darauf, wenn ich das nochmal rational durchgehe ö.ö).
Ich hab mich gerade mental gegen noch mehr Gegenwind gerüstet und ich...könnte ehrlich gesagt grad fast heulen vor Erleichterung. Danke dir. Wirklich.

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Aber das mit der Überlegenheit würd ich gern streichen, haha. Ich reflektiere und er nicht, das ist unser Unterschied.

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